Papas Lächeln, das erinnere ich noch genau. Bereits als kleiner Junge habe ich Zeichnungen davon erstellt, von diesem so liebenswürdig, etwas schief im Gesicht stehenden Lächeln. Als sie fertig waren, habe ich Papa meine Bilder gezeigt. Und er hat wieder gelächelt, und das Lächeln sah aus, wie jenes von mir gezeichnete Lächeln. Ganz Vater und Sohn waren wir während dieser Stunden.
Wohl im Alter von zehn Jahren gab ich das Erstellen dieser Zeichnungen auf, weiß nicht, wohin all diese Bilder verschwunden sind, wohl als wertlos erachtet. In Verdacht habe ich unser damaliges Kindermädchen Maria. Eigentlich eine herzliche junge Frau, nahm sie die Ordnung im Hause überaus genau und warf viele unserer Kinderdinge, ohne uns zu fragen, einfach in den Müll.
Wertlose Kinderzeichnungen, sagte meine Frau Susanne einmal, wertlose Kinderzeichnungen sind das eindringlichste Anzeichen für eine vernichtende Welt. Diesen Satz habe ich auch jetzt, lange nach Susannes Tod, noch im Ohr.
Gehe ich heute zum Schreibtisch, entnehme der Schublade Papier und einen Stift, setze mich und zeichne, gelingt es mir allerdings, Vaters Lächeln aus meiner Erinnerung auf das Papier zu zaubern. Man sollte so etwas immer wieder einmal tun.
(c) Aus den „Lebenserinnerungen des Manfred R.” – Biografie meines Lebens / 2015