“Mein erstes Treffen mit Günther Kosick” – von Lars Röper
„Einer von Vierzehn“, stellt er sich am Telefon vor. Nennt natürlich auch seinen Namen, erzählt von unglaublich vielen Geschwistern, dass er Malermeister sei und vor einigen Monaten, zu seinem „Fünfzigsten“, mehr als 300 Gäste kamen. Eine DVD davon werde er mir schicken; der Film dauere nur so ein, zwei Stunden.
Ich schlucke. Liebe meinen Beruf, schaue mir, wie die meisten Menschen, allerdings nicht so gerne Filme von Geburtstagsfeiern anderer Leute an. Besonders dann, wenn ich nicht einmal eingeladen war. Aber gut, wenn dieser „Einer von vierzehn“ meint, der Film sage viel über sein Leben – Rechner an, Film rein und ab.
320 Gäste, zwei Stunden. Und das Wissen, dass der Typ sich aus dem Wirbelsturm eines Haushaltes mit vierzehn Kindern in ein eigenes, aufregendes und ihn glücklich machendes Leben geschwungen hat. Tatsächlich sieht man all das in dem Film. Bisher keine Geburtstagsfeier hat mich derart beeindruckt.
Noch einmal telefonieren wir, legen beide mit dem Gefühl auf, dass es gefunkt hat und wir aus diesem Funken ein Feuerwerk von Buch in die Welt zaubern müssen. „Gleich im nächsten Jahr“, vereinbaren wir, holen am Neujahrstag noch einmal tief Luft und begegnen uns am 2. Januar 2018 erstmals persönlich.
Ich komme mit dem Fahrrad, werde auf freier Fläche brutalst von einem Schauer erwischt und wechsele wie ein Penner auf der Hoteltoilette meine gesamte Kleidung. Übermäßig erfrischt betrete ich die Lobby und schaue mich um. Da vorne schleicht einer rum, der dem Geburtstagskind aus dem Film ähnlich sehen könnte. Gleich gehe ich zu ihm und spreche den Mann an. Nein, sagt er freundlich, er sei keiner von vierzehn, er sei Einzelkind.
Ich entschuldige mich, sehe mich weiter um. Das muss er sein. Dem steht die wilde Kinderstube doch schon ins Gesicht geschrieben.
Günther Kosick und ich reichen uns das erste Mal die Hände, lächeln uns an und verbringen die folgenden drei Tage in der Lobby eines Potsdamer Hotels. Wir genießen die Geschichten, die gemeinsame Zeit, den Kaffee, das Essen sowie natürlich all die Ideen für unser Buch. Immer wieder beugt „Einer von vierzehn“ sich in seinem weißen, zwischen Avantgarde und Dracula changierenden Rüschenhemd weit zu mir herüber, fährt mit seinem Zeigefinger wie ein Geisterbeschwörer durch die Luft, reißt die Augen auf und philosophiert, liebt, flucht, reitet und arbeitet sich durch sein bisheriges Leben.